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Attraktiv ausbilden! Wie können wir dem fortschreitenden Fachkräftemangel entgegenwirken?

Nicole Jordy, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Bergisch Gladbach spricht über die Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Leverkusen, die Branchen, die es am härtesten trifft und einen möglichen Lösungsansatz.

Blickt man heute auf den Arbeitsmarkt, fällt vor allem eins auf: Zahlreiche vakante Stellen. Die Entwicklung vom Arbeitgebermarkt zum Bewerbermarkt ist längst fortgeschritten und hat sich durch die Corona-Pandemie weiter verstärkt. Der „War of talents“ ist entfacht. Das hat zur Folge, dass Gehälter steigen und Stellen unbesetzt bleiben.

Insbesondere in der Ausbildung fällt es Unternehmen schwer, geeignete Bewerber zu finden. Gründe dafür könnten eine Überakademisierung oder auch die Verlagerung von MINT-Berufen ins Ausland sein.

Dem möchten wir am Standort Leverkusen entgegenwirken: Mit Schulen und Kursen, die sich auf MINT-Themen spezialisiert haben, dem Campus Leverkusen der Technischen Hochschule Köln oder unserem Innovationszentrum Probierwerk. Das Ziel: Junge Menschen für technische Berufe begeistern.

Dazu gehen wir dem Thema „Fachkräftemangel“ in den kommenden Wochen weiter auf den Grund und sprechen mit Unternehmen, Ausbildern und Führungskräften, um nicht nur Einblicke in die unterschiedlichen Perspektiven zu ermöglichen, sondern auch Lösungsansätze herauszustellen.

WfL: Wie wirkt sich der Fachkräftemangel in der Region aus?

Jordy: Wir stellen fest, dass der Stellenbestand in Leverkusen weiter steigt – und das stärker als es der Zugang an neuen Stellen begründet. Der Bestand ist im Vergleich zum Vorjahr um ca- 67 % gestiegen – der Zugang „nur“ um ca. 46 %. Dazu steigen die Vakanzzeiten – also die Zeit, die es braucht, um eine Stelle ab Ausschreibung zu besetzen. Aktuell liegt die durchschnittliche Vakanzzeit bei 106 Tagen – vor einem Jahr noch bei 85. Und: Der Anteil der gemeldeten Stellen auf Fachkraftniveau lag vor einem Jahr bei gut 47 % - nun bei ca.  51 %.

Dies führt dazu, dass die Unternehmen sich mehr und mehr für Quereinsteiger öffnen, aber auch flexibler (z.B.: Angebot von TZ oder VZ) werden. IT-Unternehmen suchen nicht mehr mit Arbeitsort Leverkusen, sondern weltweit. Und der Praxismanagerin in Teilzeit wird bei Bedarf auch ermöglicht, überwiegend von zu Hause arbeiten. Prozesse und Abläufe werden verändert und angepasst. Zuwanderung ist ebenfalls ein wichtiges Thema – so nutzen Handwerker die Möglichkeit, beispielsweise Elektriker aus Tunesien einzustellen.

 

Wfl: In welchen Branchen hat sich der Fachkräftemangel aus Ihrer Sicht besonders verschärft? Wo werden dringend Mitarbeiter benötigt?

Jordy: Eine Zuspitzung sehen wir v.a. im Bereich Lager/Logistik. Berufskraftfahrer/in ist mittlerweile ein internationaler Mangelberuf. Dies führt im Kampf um Arbeitskräfte zu höheren Löhnen und dazu, dass Sprachkenntnisse nicht mehr für alle Einsatzgebiete vorausgesetzt werden und die Kommunikation dann über Chat-Gruppen oder Übersetzungs-Apps läuft.

Im Gesundheits- und Sozialwesen und im Bereich Erziehung werden natürlich weiterhin Menschen benötigt – und aufgrund der Demografie immer mehr. Aber auch in der im Handwerk und im Produktionsbereich ist die Nachfrage nach Arbeitskräften hoch.

Wechselwünsche und – v.a. auch in Leverkusen besonders relevant – (frühere) Abgänge in Rente, führen jedoch dazu dass es in nahezu allen Branchen zu Engpässen kommt. Die Arbeitgeber/innen reagieren hierauf mit Veränderungen in den Abläufen und Prozessen. Die Transformation verändert Berufsbilder – und komprimiert, so dass ein Teil der Abgänge durch technische Lösungen substituiert werden kann. Der Bedarf an Arbeitskräften in den klassischen Berufen sinkt – z. B. im kaufmännischen Bereich. Dafür entstehen neue Berufe/Tätigkeitsfelder.
 

WfL: Was muss aus Ihrer Sicht verbessert werden, um dem Fachkräftemangel langfristig entgegenzuwirken?

Jordy: Die „Zauberworte“ heißen nach wie vor „Ausbildung“ und „Qualifizierung“! Es muss wieder gelingen, Jugendliche und junge Erwachsene für die duale Ausbildung zu begeistern, ihnen die hohen Karrierechancen in diesen Bereichen aufzuzeigen, die durchaus mit denen von Studiengängen vergleichbar sind. Es muss uns auch gelingen, mehr Geringqualifizierte – egal, ob arbeitslos oder in Beschäftigung – für eine Qualifizierung, idealerweise mit einem Berufsabschluss – zu gewinnen. In Leverkusen haben 13 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten keinen Abschluss – das sind gut 8.700 Personen. Bei den arbeitslosen Leverkusenern liegt der Anteil der Geringqualifizierten bei 64 % - das sind knapp 4.200 Personen.

Die Corona-Pandemie hat in vielen Bereichen dazu geführt, dass Frauen sich aus dem Arbeitsmarkt zurückgezogen haben. Der Anteil erwerbstätiger Frauen liegt in Leverkusen bei ca. 54 % - in Deutschland gesamt bei 58 %. Viele Frauen möchten gerne (mehr) arbeiten – hier sind Politik und Gesellschaft gefragt, die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Qualifizierte Zuwanderung ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt – s.a. die Beispiele zu Frage 1 & 2, aber auch die bestehenden Abkommen in den Bereichen Gesundheit und Pflege. Ohne entsprechende Fachkräfte aus dem Ausland, werden wir die zukünftigen Bedarfe nicht decken können.

WfL: Vielen Dank für Ihre Einschätzung!


Die Ausbildung als zentraler Faktor im Bereich Fachkräftemangel: Doch so einfach das Fazit über die Lippen kommt, so komplex ist die Umsetzung. Woran liegt es? Gibt es eine Lösung? Mit den kommenden Interviews möchten wir diesen Fragen weiter auf den Grund gehen. Jeden Monat finden Sie hier auf unserer Homepage einen neuen Beitrag.

Sie möchten etwas zu dem Thema beitragen, haben Anregungen oder Kritik? Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an Ansprechpartnerin Patrizia Emgenbroich.

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